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Vom Tief- zum Höhepunkt


Die Rettung fuer 150$ - Mit dem Landcruiser ins Reich der Mitte

Am Samstag Mittag trafen so langsam alle Reisegruppen (Samstag ist Tibettag) in Kodari, dem sonst beschaulichen Grenzort ein. Ueberall winkten geschaeftige Reiseleiter mit Paessen und versuchten Ihre Gruppe am schnellsten durch den Buerokratie-Dschungel zu schleusen. Unsere Gruppe war auf den ersten Blick ziemlich schraeg. Die meisten Individualtouristen die voellig angenervt sind mit anderen zusammen in einen Bus gezwaengt zu werden. Da waren vier deutsche Pfadfinderinnen, natuerlich immer mit einem leichten Summen auf den Lippen, zwei koreanische Nonnen, ein britischer Weltenbummler, ein neuseelaendischer Gastarbeiter, zwei deutsche Medizinerinnen aus Kambodscha usw. Zusammen mussten wir uns, nachdem die Paesse von den Nepali abgestempelt waren in einer Reihe am Freundschaftsbrueckengelaender aufstellen. Gruppe fuer Gruppe stand da nun am Gelaender. Und aus Tibet wurde einmal mehr eine Schafherde ueber die Bruecke getrieben. Das Gefuehl selbst wie ein Schaf durch die Anlage geschleust zu werden draengte sich unweigerlich auf.
Dann kamen die chinesischen Posten - man kennt sich ja - und zu meiner Ueberraschung haben sie nichteinmal Pass und Gruppenvisum kontrolliert.


Singend auf dem Laster: Mit Pfadfindern einer Reisegruppe über die Grenze
Weiter gings zu Fuss hundert Meter den Berg hinauf. Dann warten. Nach einer halben Stunde kam ein alter LKW angedonnert. Der transportierte uns auf der Ladeflaeche bis nach Zangmu, dem chinesischem Grenzort Runter von der Pritsche und nochmal durch eine Schleuse. Gepaeck durchleuchten, dreimal Passkontrolle und wualla - Bin ich jetzt drin oder was.
Mitlerweile war es 16 Uhr. Mit Grenze insgesamt 6 Stunden fuer 10 km. Dann kam der Bus und ein Landcruiser. Das Fahrrad kam aufs Dach und ich durfte so im Landcruiser fahren. Weiter ging es nach Nyalam. Ca. 50km. Der Weg ging ziemlich steil bergauf, von 2700m auf 3500m. Vorbei an unzaehligen Wasserfaellen und aus der subtropischen hoch in die alpine Vegetation. Eine herrliche Strecke und ich find es nach wie vor schade hier im Auto gesessen zu haben. Schliesslich war es im alten chinesischen Landcruiser auch nicht ganz ungefaehrlich. Mit einsetzender Dunkelheit bemerkten wir, dass das Licht nicht funktionierte. So leuchteten wir mit unseren Taschenlampen den Weg am Abgrund entlang. Puhhh. Warum muss man sein Leben solchen Nasen anvertrauen. Um Neun standen wir schliesslich vor unserem "Hotel". Schaebige 8-Bettzimmer, noch schaebigere Toilletten und aeusserst unfreundliche Chinesen. Soll das so weitergehen. Ich will in mein Zelt. Neben meinem Fahrrad viel ich diesmal wieder in einen eher unenspannten Schlaf.


Happy: Die ersten Radkilometer in Tebet
Mit der Kupplung nehm ich Abschied
Am naechsten Morgen strahlten die ersten 6000er mit Ihren weissen Gipfeln im gleissenden Sonnenlicht. Die Luft war um 9 noch bissig kalt und wir ruesteten uns zur Weiterfahrt. Laut Informationen wartete hinter Nyalam der erste Checkpoin - ich war gespannt. Der Checkpoint entpuppte sich als Luftnummer. Keine Kontrolle nur eine offene Schranke. Hmmm. Hoffnung keimte mal wieder. Nach 5 km die ersten tibetischen Doerfer. Fotostopp. Als der Bus schon laengst davonbrauste versuchte unser Chinesischer Fahrer verzweifelt die olle Karre anzuschmeissen. Nichts ging. Wir mussten schieben. Nur 5min. spaeter begann es im Wageninneren fuerchterlich zu qualmen. Auch wurden wir immer langsamer, auch runter schalten half nix. Das war die Kupplung! Wir stoppten also erneut. Der Fahrer kroch unter den Wagen, kam wieder hervor und bedeutete uns wieder einzusteigen. Taten wir auch. Doch ich traute dem Freiden nicht und hatte wenig Bock auf dieses ganze Theater. Nur 500m weiter qualmte es erneut. Stopp. Jetzt reichts. Ich begann in aller Seelenruhe auszuladen, was der Fahrer natuerlich mit Bestuerzung zur Kenntnis nahem, mich aber nicht daran hindern konnte. Dann stieg ich aufs Dach und band das Fahrrad los. Irgendwie machte es mir Riesenspass. Auch die drei Damen, die mit mir im Landcruiser unterwegs waren freuten sich irgendwie mit mir. Zuoft hatte ich wohl im Auto gejammert. Ich zog mich noch rasch um, haengte die Taschen ein, Band den Ortlieb-Sack fest und setzte mich aufs Rad und strampelte meine ersten Meter in China. Das war ganz gross. Noch wusste ich nicht was mich erwartete - aber so viel war sicher, vor dem Lalung La und dem BaseCamp kommt kein Checkpoint - das muesste auf jeden Fall gehen.
Nach einer Weile stoppte neben mir erneut der Jeep. Der Fahrer beteuerte gestenreich ich solle doch wieder einsteigen. So ganz konnte er das nicht glauben. Ich zuckte mit den Schultern und fuhr weiter. Er kam erneut, so ging es noch ein zwei mal bis die Kupplung wieder qualmte. Dann war ich erst einmal verschwunden. Viel spaeter erst, ueberholte mich der Landcruiser und die Damen hatten dem Fahrer wohl irgendwie verklickert, dass es keinen Sinn macht, weiter auf mich zu warten.

Der Tong La, kurz vorm La Lung La. Mein erster 5000er. Große Freude, doch die Sonne wirft schon lange schatten...
Hoehenkrank - Verschaetzt am ersten 5000er
Vor mir lag nun die Weite Tibets und gleich der erste 5000er Pass, der Tong La mit 5120m. Das Problem hier ist allerdings, nach dem Tong La geht es nicht gleich wieder runter, sondern nur auf 4750m und dann wieder hoch zum Lalung La mit 4970m. Da ich die letzte Nacht auf 3000m verbracht waere es wegen der Hoehenkrankheit ratsam gewesen, die folgende Nacht auf 3500m zu verbringen. Ich rechnete mir in meinem Fahrradwahn aus, es noch am selben Tag ueber beide Paesse zu schaffen um dann auf knapp 4000 runter zu kommen und dort mein Zelt aufzuschlagen. Das muesste noch gehen. Allerdings ging es doch nicht ganz so einfach ie ich dachte. Zum einen sind 5000m schon verdammt hoch, zum anderen wird es leider nach acht scheisskalt und stockduster. 19.30 erreichte ich meinen ersten 5000er, wurde zwar von einigen Bustouristen gefeiert, hatte aber kaum Gelegenheit mich in irgendeiner Weise zu freuen oder die grandiose Aussicht zu geniessen. Die Sonne verschwand am Horizont, es machten sich leichte Kopfschmerzen breit und mir war war schon lange klar, dass das mit dem naechsten Pass nix mehr wird. Bereits in der Daemmerung und mit hereinbrechender Kaelte fuhr ich hinab ins Tal zwischen den beiden Paessen und schlug mein Zelt notgedrungen auf 4750m auf. Schnell noch eine Suppe und schon wurde es bitter kalt. Die Nacht machte ich kein Auge zu. Alle 10 min starrte ich auf die Uhr. Und ich aergerte mich fuerchterlich ueber mich selbst. Gluecklicherweise erlebte ich den Morgen und ab 8.30 Uhr schien die Sonne auf mein Zelt. Einige Hirten hatten sich um mich herum versammelt und bestaunten das Equipment und: fassten alles an und wollten alles haben. Einer hatte schon meine Bergschuhe am Wickel. Allerdings sind sie nett und mit viel Lachen kriegt man die Schuhe dann auch wieder. Am meisten fasziniert (das hat sich immer wieder bestaetigt) allerdings die Pumpe vom Benzinkocher. Verstehe wer will.


Die lieben Kleinen...
Frueher Haertetest - Offroad zum Mt. Everest
Ziemlich fix gings die 200m hoch zum Lalung La und runter ins Tingri Tal. Ich muss gestehen, dass ich nach all den Horrorgeschichten schon ziemlich erleichtert war, als ich meinen Hoehenmesser bei 4000m einpegeln sah. Es ging durch Tingri, einem kleinen unbedeutendem Ort mit ein paar kleinen leckeren tibetischen Restaurants - ich ess meistens Chicken-Thukpa, eine leckere Huehner-nudelsuppe oder MOMOS - Tibetische Maultaschen mit Yak- oder Gemuesefuellung.
Kurz nach Tingri nahm ich den Abzweig zum Everest Base Camp. Das war zwar nicht die Hauptroute - aber irgendwer hat mir erzaehlt das man da auch schonmal Radler geshen hat. So weit, so gut. Ich schaffte noch die ersten 5km bei heftigstem Gegenwind und beschloss fuer den Tag Schluss zu machen. Allerdings kam ich noch in die Naehe des Dorfes Ra Chu, wo mich (leider) von weitem die ersten Kids sichteten. In Scharen kamen sie angerannt und zerrten und schoben das Rad in alle Richtungen. Leider sind sie es immer wieder gewohnt von Touristen kleine Candys zu bekommen. Was natuerlich bedeutet, dass sie zu wahren Monstern werden, wenn man Ihnen nichts gibt.
Zugegeben, die Leute in den Doerfern sind bettelarm. Die Kinder haben kaum das noetigste zum Anziehen und betteln meistens hartnaeckig nur um einen Keks. Von dem vielen Geld was durch Permits und ueberteuerte Gruppenreisen ins Land fliesst sind sie die Letzten, die etwas sehen. Aber was soll man machen. Hmm, schwierig. Almosen verteilen kann jedenfalls nicht die Loesung sein und ist meiner Meinung nach der falsche Weg - man sieht es an den Gesichtern der Kinder. Endlich kamen ein paar Erwachsene die die Kinder mit Steinen vertrieben. Auch nicht so schoen.
Ich hab dann noch den Fehler gemacht und hab sie fotografiert. Natuerlich ist man hier gewohnt fuer Foto Geld zu verlangen. Jetzt kamen auch die Erwachsenen an und schrien MANNIEE MANIIEEE. Oh man. Ich hab vieleicht in die Pedale getreten und mein Zelt schoen sichtgeschuetzt in einem ausgetrocknetem Flussbett aufgestellt.

Überraschung: Schnee am Morgen
Der naechste Tag brachte mich auf katastrophaler Piste gerade mal 25km Weit. Spitzenleistung. Ich merkte irgendwie zu spaet, dass es sich nicht mehr um eine Strasse, sondern mehr um einen Jeep-Treck handelte. Das Fahrrad polterte ueber riesige Gesteinsbrocken, verschwand bis zur Nabe im Schlamm oder blieb einfach im Sand stecken. Mehrere Male musste ich Fluesse furten und der Wind kam natuerlich auch noch von vorn. Gegen sechs verschwand auch noch die Sonne hinter dicken Wolken und ich machte, dass ich hinter einem Felsen Schutz vor dem immer staerker werdenden Wind fand. Im Zelt ist allerdings alles wieder gut. Es gab lecker Essen und ich viel in den wohlverdienten Schlaf.
Am Morgen wollte es einfach nicht hell werden. Ich starrte mehrmals auf die Uhr, es war nach 8 und noch immer stockfinster. Dann kam ich mit dem Kopf an die Zeltdecke, es raschelte und etwas rutschte vom Zelt. Es ward hell. Schnee? Ich kroch natuerlich sofort aus dem Zelt und bestaunte eine beachtliche weisse Pracht: 20cm Neuschnee. Mein JeepTreck war natuerlich auch unterm Schnee vergraben und so wartete ich auf ein Fahrzeug, dass mir evtl eine Spur ins unschuldige weiss malen koennte. Gegen 11 Uhr war es dann soweit. Der erste Landcruiser bahnte sich seinen Weg durch den bereits schmelzenden Schnee. Und ich konnte hinterher.
Es ging weiter ueber den Lamna La (5200) unzaehlige male rauf und runter, schliesslich noch durch den eisigen Fluss des Rongphu Gletschers und voellig Platt erreichte ich die Hauptroute zum Base Camp. Vom Everset trennten mich noch 28km – doch ich brauchte wieder fast einen ganzen Tag um das Rongphu Monastery zu passieren und schliesslich auf 5200m direkt vor diesem ziemlich grossen Berg mein Zeltlein aufzuschlagen.



Da verschlägts einem schon ma die Sprache: Sonnenaufgang am Everest
Breathtaking - The Mt. Everests North Face
Gegen Fuenf war es dann soweit - ich war oben. Hatte ich im Ronpuh Monastery noch einen grandiosen Blick auf die Nordwand des hoechsten Berges der Erde, huellte sich der Everset nun allerdings in dichten Nebel. Schneetreiben setzte ein, es war eisig kalt und boeiger Wind machte das Atmen schwer. Zum Glueck halfen mir 5 Chinesen das Zelt aufzubauen - allein haett ich wohl so meine Probleme gehabt. Dann gings ins Tee-Zelt. Zugegeben, man freut sich schon ueber auch noch so rudimentaere Infrastrukturen.
Die Nacht war frisch, -20c. Mein Schlafsack leistet allerdings nach wie vor gute Dienste und so brauchte icht nicht mal dann ein langes Unterhoeschen. Allerdings zog ich die Wollsocken uber meine chronisch schlecht durchbluteten Fuesse.
Gegen 7.30 Uhr dann die ersten Schreie. Ich hielt meine Nase aus dem voellig vereisten Zelt und sah ein paar Chinesen hektisch nach oben zeigen - der Blick in die andere Richtung verriet den Grund der Aufregung. Da stand er. Direkt vor mir. Ich wischte mir nochmal den Schlaf aus den Augen. Ja. Er hatte ein Klitze Kleines gelbes Huetchen auf. Die ersten Sonnenstrahlen tasteten sich langsam an der Everest Nordwand entlang. Es war Glasklar und dieser Scheissberg war zum greifen nah. Ich zog mich schnell warm an und gesellte mich zu den anderen in die Kaelte. Hab noch nie so lange in eisiger Kaelte regungslos auf einen Fleck gestarrt. Aber ich war voellig weg. Echt. Weiss auch nicht was man da noch schreiben soll. Ja . Breathtaking. Nach 2 Stunden frieren ging es erstmal ins Teezelt, fruestuecken. Dann wieder raus nochmal zwei Stunden Berg anstaunen. Der Versuch, sich dem Rongphu Gletscher zu nahern wurde mir allerdings unter Androhung von 200$ Strafe verwehrt. OK. Man konnte ihn ja sehen. Und es war schwer, sich von diesem Anblick wieder zu trennen.

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